SELBSTHASS

(Zahlen 1 BIS 2)

Hass, der gegen die eigene Person gerichtet ist wird als Selbsthass definiert. Doch was ist Hass? Um Hass besser verstehen zu können sehen wir uns einmal die zwei grundlegenden Bewegungen in unserem Universum an - push and pull - oder heranziehen und wegdrücken/wegstoßen. Hass beschreibt den Vorgang des Wegstoßen. Wir stoßen Etwas weg, das wir nicht mögen oder nicht akzeptieren wollen oder können. In meinen Augen ist das die Ursache für Selbsthass, aus welchen Gründen auch immer, stoßen wir einen oder mehrere Teil von uns weg. Die Gründe wieso wir das tun können derart vielfältig sein, dass ich im Folgenden nur einige davon aufzähle: 

  • Ich habe (als Kind) gelernt, dass dieser Teil nicht gut ist, er ist schlecht
  • Ich habe (als Kind) diesen Teil aufgegeben, ihn verdrängt oder unterdrückt 
  • Ich habe (als Kind) gelernt, dass dieser Teil zwischen mir und meinem Betreuer (Eltern, Erzieher, nahe stehende Person) steht 
  • Ich habe (als Kind) gelernt, so etwas tut oder macht man nicht 
  • Ich habe (als Kind) gelernt, dieser Teil bringt mich in Schwierigkeiten 
  • Ich habe (als Kind) gelernt, dieser Teil macht mich zu einem ausgeschlossenen Teil der Gesellschaft in der ich lebe

Manchmal hilft es, wenn wir uns darüber bewusst werden, weshalb wir uns Selbst hassen. Schauen wir uns  jetzt einmal die Dynamik, die dahinter steht genauer an. Wenn wir etwas hassen, dann stoßen oder drücken wir es von uns weg. Wenn wir uns Selbst hassen, dann stoßen wir uns selbst weg. Also sollten wir uns einmal ansehen was wir von uns wegstoßen. Dabei solltest du dir so viel Zeit nehmen, wie du brauchst. 

Wenn du nicht weißt, wo du anfangen sollst, dann habe ich hier einen Tipp für dich: 

  • Stelle dir dich selbst als eine Zwiebel oder Etwas anderes mit Schichten vor
  • Fang bei der äußeren Schicht an - das kann zum Beispiel dein Äußeres, deine Kleidung oder dein Körper sein (also all das, was du Selbst im Spiegel sehen kannst)
  • Dann gehe Schicht für Schicht weiter in dein Inneres vor
  • Du kannst nach den äußeren Schichten deine Verhaltensweisen ansehen ( wie spreche ich, wie lache ich, wie weine ich, wie tue ich etwas)
  • Und immer weiter nach Innen vorangehen, zum Beispiel über deine Charakterzüge

Wenn du weißt, was du an dir wegstößt, dann ist es jetzt an der Zeit, herauszufinden wieso du das tust. Ganz gleich was du an dir hasst oder wegstoßen möchtest, du hast dafür einen guten Grund. Meist ist es so, dass wir das an uns wegstoßen, was zwischen uns und der Beziehung zu einem wichtigen Menschen steht.

Ein kleiner Exkurs: 

Wir Menschen sind eine soziale Spezies. Wenn wir auf die Welt kommen, dann hängt unser Überleben ausschließlich von anderen ab (in der Regel unseren Eltern). Das ändert sich auch nach Jahren als Kind nicht, selbst mit 6 oder 9 Jahren sind wir vollständig von unseren Erziehern abhängig. Ohne mit anderen Menschen eine Beziehung zu führen, können wir also nicht überleben, weil wir unsere Bedürfnisse  selbst nicht erfüllen können. 

Wenn wir also im Kindesalter anfangen unsere Persönlichkeit und Beziehung zu unserem Selbst zu entwickeln und mit der Welt als eigenständigeres und individuelles Wesen interagieren, dann sind wir noch von unseren Eltern oder Erziehern abhängig. Wir brauen nicht nur Nahrung und ein Bett sondern auch Liebe von ihnen. Wenn wir jetzt etwas tun oder ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, was unseren Erziehern missfällt, dann lernen wir, wenn ich das tue, dann bekomme ich keine Liebe von Mama oder Papa. In diesem Moment entscheiden wir uns meist unbewusst, das Verhalten oder den Teil von uns wegzustoßen um weiterhin in einer engen Beziehung zu unsern Erziehern bleiben zu können. Diese Dynamik kann man auch als Dreiecksbildung oder Triangulation bezeichnen. Das geschieht in der Regel unzählige Male in unserer Kindheit und auch später in der Pubertät und in unserem Erwachsenen Leben. Die Personen mit denen wir die Beziehung so aufrechterhalten wollen sind dabei austauschbar. Es können die Eltern, Geschwister, Freunde, Partner, Teile der Gesellschaft und alles oder jeder andere sein. 

Wir alle kennen diese Verhalten, wenn wir uns einmal die Dynamik zwischen drei Personen ansehen. In diesem Beispiel ist Person A der Erziehungsberechtigte oder eine nahe stehende Person und Person B sind wir selbst als Kind. Wenn wir nun etwas tun oder sind, was zwischen Person A und uns steht, dann teilt sich unser Bewusstsein in zwei Teile. Ein Teil ist mit unserem Verhalten oder dem, was wir getan haben identifiziert, und der andere nicht. In uns selbst erstehen also zwei voneinander getrennte Teile. Der eine Teil der uns von Person A trennt, in diesem Beispiel Person B und der andere Teil, der nähe zur Person A spürt und erhält, Person C. Bei der Dreiecksbildung schließen sich zwei Personen in diesem Fall Person A und Person C zusammen. Indem sie die dritte Person, Person B ausschließen und sie wegstoßen halten sie die Beziehung zueinander aufrecht. Da Person B und C eigentlich nur zwei Teile des gleichen Bewusstseins sind, stoßen wir einen Teil von uns selbst weg, um weiterhin eine Beziehung zu einer uns nahe stehenden Person aufrecht zu erhalten. Diese Verhalten kennen wir alle, wenn wir schon einmal eine Freundschaft mit zwei Menschen geführt haben die sich kennen. Wenn sich nun diese zwei Menschen streiten oder eine Auseinandersetzung haben, dann landen wir in einer Position in der wir eine engere Beziehung zu einem der beiden aufbauen können, wenn wir uns gegen den anderen stellen.

Damit möchte ich deutlich machen, dass du einen sehr guten Grund hast oder hattest einen Teil von dir oder dich Selbst wegzustoßen. Wenn wir Etwas wegstoßen, dann fühlen wir uns in der Regel davon getrennt, weil wir uns davon abgespalten haben. Das zeigt sich uns häufig in dem Gefühl allein oder einsam und getrennt zu sein. Das macht viele Menschen traurig, weil sie glauben sie wären die einzigen denen es so geht und niemand würde sie verstehen. 

Ich möchte, dass du dir darüber bewusst wirst, was du von dir wegstößt, und warum das so ist. Wir brauchen das nicht ändern oder sonst etwas, es ist nur wichtig, dass du dir darüber klar wirst, was in dir und deinem Leben geschieht. Womöglich hilft es dir, wenn du dir dein Leben als einen Film, ein Buch oder eine Reise vorstellst. Beobachte einmal was geschieht und versuche dir darüber bewusst zu werden was diese Person, die dich darstellt tut. 

Um ein tiefere Verständnis für uns Selbst zu entwickeln möchte ich dir etwas zeigen. Selbsthass haben wir entwickelt. Er war nicht von Anfang an da. 

Als Baby hatten wir noch keinen Sinn für unser eigenes Selbst, wir waren mit allem was uns umgibt verbunden. Alle unsere Teile, ( der Teil von uns der lacht und fröhlich ist, der Teil von uns der weint und schreit, der Teil von uns der Mama braucht, der Teil von der sich bewegen will, der Teil von uns der hunger hat, der Teil von uns der schlafen möchte) sie alle sind in uns, sind miteinander verbunden und existieren stets nebeneinander. Je nachdem was in unserem Leben geschieht zeigt sich einer (oder mehrere) der Teile nach außen. Wir alle waren einmal so ein Baby, ganz gleich ob wir uns noch daran erinnern können oder nicht. Damals waren wir eins. Selbsthass hat damals für uns nicht existieren können. 

Das macht dieses Thema in meinen Augen so schwierig, weil es damit zusammen hängt, die Menschen die wir am meisten lieben oder liebten, als eine der, wenn nicht die Quelle für unseren Selbsthass zu erkennen. Aber auch das ist ein Teil unseres Lebens, den wir wegstoßen oder annehmen können. Es ist in Ordnung und vollkommen natürlich, irgendwann im Laufe unseres Lebens unseren Eltern oder Erziehern oder Partnern die Schuld zu gehen, wieso wir uns Selbst hassen. Unser Leben liegt in unserer Verantwortung und die Meschen, mit denen wir enge Beziehungen haben oder hatten sind ein Teil davon. Auch sie haben die Verantwortung für ihr Leben und ihre Taten, besonders, wenn diese unser Leben beeinflusst haben. 

Von Zeit zu Zeit kann es heilsam sein all die Wut den Zorn und Ärger, den wir gegenüber anderen Menschen und uns selbst haben zum ausdruck zu bringen. Wenn es dir hilft, dann mach das alleine oder an einem Ort an dem dich wohl und sicher fühlst um deine Gefühle auszuleben. 

Selbsthass ist in meinen Augen nicht wirklich ein Gefühls sondern viel mehr ein Zustand. Womöglich hast du schon einmal etwas vom Reptilien-Gehirn gehört, und dass wir im Grunde nur zwei Verhaltensweisen ausführen, wenn dieser Bereich unseres Gehirns aktiv ist. Entweder wir kämpfen oder wir fliehen. Deshalb wird dieser Zusand im englischen auch Fight-or-Flight genannt. Selbsthass ist in meinen Augen etwas ähnliches, es ist kein Gefühl, dass wir die ganze Zeit haben, eher ein Zustand in den wir geraten. Bei mir war es ein Zustand, in dem ich das Gefühl hatte alleine und getrennt zu sein. Zwar hatte ich dieses Gefühl auch andere Menschen betreffend aber mehr als wäre ich von mit Selbst getrennt. Selbst wenn ich mit meinen Freunden oder anderen Menschen etwas unternommen habe, hatte ich das Gefühl alleine zu sein und nicht dazu zugehören. Dann wollte ich am liebsten wieder nach Hause um wirklich alleine zu sein, aber wenn ich das tat, dann hatte ich oftmals sehr destruktive Gedanken. Meist habe ich mich selbst fertig gemacht, mir Dinge eingeredet, mir gesagt ich sei nicht so viel wert wie andere oder vollkommen wertlos. Oft hatte ich den Gedanken, dass ich alle Menschen hassen würde und die Welt im großen und Ganzen schlecht und böse sei. Ich hatte so oft das Gefühl, das Niemand mich verstehen würde. Ich hatte auch Angst, dass ich noch mehr ausgeschlossen werde oder eine Last für den anderen bin, wenn ich jemandem erzählen würde wie ich die Welt sehe und empfinde. Ich wollte mich nicht noch isolierter fühlen als ich es eh schon tat. Ganz gleich ob du denkst, glaubst oder weißt, dass du dich Selbst hasst, ich weiß wie es ist sich immer alleine zu fühlen und zu glauben, dass es keinem anderen so geht. 

Was mit damals geholfen hat waren keine aufbauenden Sprüche oder das unerreichbar scheinende Ziele "einfach glücklich" zu sein. Es hat mir geholfen zu erkennen, dass ich nicht alleine bin und das es andere gibt denen es genauso oder ähnlich geht. Es hat mir geholfen zu weinen und meine Gefühle und Gedanken nieder zuschreiben oder aufzumalen. Es hat mir geholfen Zeit in der Natur zu verbringen und mit Tieren zu reden. Es hat mir geholfen meine Träume aufzuschreiben. Es hat mir geholfen den Druck, den ich mir selbst aufgebaut habe los zulassen und mich selbst nicht zu zwingen immer "glücklich" nach außen zu scheinen oder zu sein. Es hat mir geholfen, raus zu gehen, laut Musik zu hören und stundenlang durch die Gegend zu laufen. Es hat mir geholfen zu schreien und laut zu singen (meist habe ich das nur getan, wenn kein anderer in meiner Umgebung war). Was es auch bei dir ist, ganz gleich wie "kindisch" oder "komisch" es dir vorkommen mag, tue es. Solange du währenddessen eine Erleichterung spürst, die im Idealfall nicht sofort wieder verfliegt, oder durch Scharm ersetzt wird, ist es der Weg den du gehen möchtest. Und wenn es etwas ist, wie dass du einen Stift auf einem Blatt Papier mit viel Druck und Gefühl, unter Tränen solange hin und her bewegst, bis keine weiße Stelle mehr zu sehen ist. Solange es dir Hilft und sich stimmig anfühlt, tue es. Ganz gleich was womöglich andere davon halten, oder ob sie es als nützlich ansehen. 

Was dem allem zu Grunde liegt, ist dass ich mich mit mir selbst befasst haben und mich selbst wieder kennengelernt habe. Denn zu dem Zeitpunkt an dem ich mich Selbst gehasst habe, hatte ich vergessen wer ich war. Alles was ich vor Augen hatte, waren die Teile von mir, die ich meist vor langer Zeit unterdrückt und weggestoßen hatte. Ich sah also irgendwann nur noch das, was ich nicht sehen wollte. 

Ich möchte, dass du weißt, dass es noch viele andere Menschen gibt, die sich selbst hassen. Und dass Selbsthass nichts ist, vor dem man weglaufen muss oder das man verstecken braucht. Es ist ein Zustand, den wir selbst erlernt und uns angeeignet haben. Und so wie wir ihn erlernt haben, durch die Trennung von unserem Selbst, können wir diesen Prozess der Trennung durch Annahme und Barmherzigkeit umkehren. In unserem Tempo zur richtigen Zeit. Ich habe ebenso noch Teile in mit die ich wegstoße, oder Teile deren ich mir noch nicht einmal bewusst bin, dass sie existieren. 

Wenn du möchtest, dann gehen wir diesen Weg zusammen oder nebeneinander. 

In Liebe Lena

Das Thema Selbsthass ist eines der Dinge, mit denen ich mich schon eine lange Zeit in meinem Leben befasse. Selbsthass ist ein Teil meiner Reise und meiner eigenen Geschichte. Mit der Zeit werde ich mehr Informationen, Updates und alles was mir hilfreich erscheint in diesem Beitrag veröffentlichen.